Grundbedürfnisse von Jugendlichen

Ein Bedürfnis ist eine Notwendigkeit, deren Mangel sich durch Gefühle ausdrückt. Hunger manifestiert sich beispielsweise im Bedürfnis nach Essen und Angst im Bedürfnis nach Sicherheit. Menschliche Grundbedürfnisse müssen befriedigt werden, damit der Lebensprozess nicht ins Stocken gerät und sich das Individuum weiterentwickeln kann.

Gerade in der Adoleszenz ist die Befriedigung von physiologischer, psychologischer und sozialer Bedürfnisse zentral, damit eine optimale Entwicklung stattfinden kann.

Die Grundbedürfnisse wurden von Abraham Maslow (1916-1972), Vorreiter der humanistischen Ansätze, in fünf Typen unterteilt: physiologische Bedürfnisse, Sicherheitsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse, Individualbedürfnisse und Selbstverwirklichung.

2002 zeigten Deci und Ryan in ihrer Selbstbestimmungstheorie drei psychologische Grundbedürfnisse für die Entwicklung, die Integrität und das Wohlbefinden von Menschen auf: Autonomie, Kompetenz und soziale Eingebundenheit (Zugehörigkeit). Wenn diese Bedürfnisse befriedigt sind, erfährt der Organismus Vitalität und interne Kohärenz (Sheldon & Elliot, 1999) sowie psychologische Integration (Deci & Ryan, 1991), welche die Selbstverwirklichung fördern.

Michel Fize, französischer Soziologe, welcher auf den Gebieten der  Adoleszenz, Jugend und Familie spezialisiert ist, zeigt «sieben Grundbedürfnisse» von Jugendlichen auf:

  • Bedürfnis nach Vertrauen
  • Bedürfnis nach Sicherheit
  • Bedürfnis nach Verantwortung 
  • Bedürfnis nach Hoffnung
  • Bedürfnis nach Dialog 
  • Bedürfnis nach Autonomie 
  • Bedürfnis nach Zuneigung

Neben diesen grundlegenden Bedürfnissen erwähnt Michel Fize noch vier komplementäre Bedürfnisse:

  • Bedürfnis nach Anwesenheit von Erwachsenen
  • Bedürfnis nach Anerkennung
  • Bedürfnis nach Zugehörigkeit
  • Bedürfnis nach Vertrautheit

Die Befriedigung all dieser Bedürfnisse trägt zum jugendlichen Wohlbefinden bei und fördert eine harmonische psychologische und soziale Entwicklung.

Konsistenztheorie

Eine weitere psychologische Theorie welche sich mit Bedürfnissen der Menschen befasst, ist die Konsistenztheorie nach Klaus Grawe (Grawe, 2004). Die Konsistenz wird als Grundprinzip für das psychische Funktionieren des Menschen gesehen. Nach Grawe strebt der Mensch sowohl nach Konsistenz sowie nach Kongruenz. Kongruenz ist für Grawe die Übereinstimmung von aktuellen motivalen Zielen und wie diese wahrgenommen und erlebt werden. Das Verhalten und Erleben des Menschen wird von seinen motivalen Zielen (motivalen Schemata) bestimmt, dies sind Strategien, welche sich der Mensch zum Schutz oder zur Befriedigung seiner Grundbedürfnisse angeeignet hat. Um die Grundbedürfnisse zu befriedigen oder zu schützen gibt es sowohl vermeidende Ziele (vermeidende Schemata) wie auch annähernde Ziele (annähernde Schemata). Menschen, welche in einem Umfeld aufwachsen, wo Bedürfnisse befriedigt werden können, bilden annähernde Ziele aus.  Hingegen Menschen, welche in einem Umfeld aufgewachsen sind, wo die Bedürfnisse verletzt wurden, entwickeln mehrheitlich vermeidende Ziele.

Die Grundbedürfnisse nach Grawe sind die vier folgenden:

  • Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle
  • Lustgewinn und Unlustvermeidung
  • Bindungsbedürfnis
  • Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung/-schutz                                                                              

Werden die Wahrnehmung und das Erleben der erreichten Ziele (Bedürfnisse befriedigt oder beschützt) als positiv wahrgenommen so spricht man von Kongruenz. Werden diese jedoch als negativ wahrgenommen spricht man von Inkongruenz (Grawe, 2004).                                                                           Ziele können sich auch gegenseitig hemmen. Indem beispielsweise die vermeidenden Ziele stärker ausgeprägt sind als die annähernden Ziele. Trifft dies zu, spricht man von einem motivalen Konflikt (Diskordanz). Sowohl der motivale Konflikt wie auch die Inkongruenz sind beides Formen einer Inkonsistenz und können zu psychischen Störungen führen.

Quelle: Grawe, Klaus. Neuropsychotherapie. 1. Auflage. Göttingen: Hogere Verlag, 2014. S. 183-192